Schlösser-Hopping durch Niederschlesien

Niederschlesien liegt im Südwesten Polens und ist die schlösserreichste Region Europas


Schlösser-Hopping? Nicht jeder denkt dabei sofort an Polen. Doch die schlösserreichste Region Europas liegt genau dort. Auf engstem Raum konzentrieren sich hier Dutzende von Palästen des europäischen Hochadels. Rundum Jelenia Góra im Hirschberger Tal – nur drei Autostunden von Berlin entfernt.

Blick auf das Riesengebirge und die Schneekoppe (Śnieżka) in Niederschlesien.

Die Landschaft am Rande des Riesengebirges mit seinem höchsten Berg, der Schneekoppe (Sniezka), hatte schon immer etwas Märchenhaftes, wie die Sage von „Rübezahl“ zeigt. Nach den Schlesischen Kriegen im 18. Jahrhundert fiel das habsburgische Schlesien an Preußen.

Das Tal mit seinen malerischen Hügeln, Flüssen und Dörfern vor der mächtigen Kulisse des Riesengebirges zog im 19. Jahrhundert den Adel an. Preußische Könige, Prinzen, Grafen und Generäle ließen sich hier prächtige Sommerresidenzen errichten und weitläufige Parkanlagen wurden gestaltet.Auf diese Weise ist im Hirschberger Tal die höchste Dichte an Burgen in Europa entstanden.

Land der Hirsche, Täler und Schlösser

Land der Hirsche, Täler und Burgen: Schlesisches Elysium nannte man diese Epoche. Das Hirschberger Tal, reizvoll umrahmt von den Gipfeln des Riesengebirges, ist ein Ort der Romantik. Das spürt man noch heute, wenn man zum Beispiel im Garten von Schloss Stonsdorf sitzt und auf die Schneekoppe blickt.

Während des Zweiten Weltkrieges waren die Schäden an den Bau- und Kunstdenkmälern gering, was die Rote Armee im Zuge ihres Siegeszuges an vielen historischen Stätten leider nachholte. Nach der Wende wurde diese einzigartige Kulturlandschaft aber wiederentdeckt. Zahlreiche Schlösser wurden vor dem Verfall gerettet, viele sind heute wieder für die Öffentlichkeit zugänglich und erstrahlen in neuem Glanz. Aus einigen wurden fürstliche Schlosshotels.

Burgen und Schlösser im Dornröschenschlaf

In Niederschlesien gibt es aber noch viele „Lost Places“, versteckte Kleinode wie das Schloss Rohnstock, dessen Besitzer sich mit viel Enthusiasmus und Liebe um den Wiederaufbau bemühen und dringend auf Unterstützung angewiesen sind. Es ist ein wahres Juwel – aber es schläft noch immer einen Dornröschenschlaf. Die Restaurierung ist teuer und langwierig – Investoren werden dringend gesucht.

Auch Schloss Erdmannsdorf, das heute Myslakowice heißt, ist zurzeit weit von seinem ursprünglichen Glanz entfernt, der nur von außen zu erahnen ist. Dabei gehörte das Schloss einst zur preußischen Krone. Seit den 50er-Jahren wird es als Schule genutzt, dadurch ging aber die historische Raumaufteilung im Innern fast verloren. Der ehemalige Name für die Gegend Zillerthal-Erdmannsdorf ist protestantischen Glaubensflüchtlingen aus Tirol geschuldet, die 1837 auf Initiative des Königs Friedrich Wilhelm III. in Erdmannsdorf angesiedelt wurde.

Zwischen Tradition und Moderne

Die Tour durch Niederschlesien führt vor allem zu heute liebevoll restaurierten Schlössern und Städten. Deutsche Geschichte und polnische Gegenwart treffen aufeinander.

Von Breslau ins Hirschberger Tal der Schlösser braucht man bloß knapp zwei Stunden und die schönsten Schlösser und Paläste Niederschlesiens sind sogar oft nur zehn Autominuten voneinander entfernt. Manchmal kann man sogar zwischen den Schlössern flanieren – wie zwischen Lomnitz und Schildau. Der preußische König Friedrich Wilhelm III. erwarb Schloss Schildau (Wojanów) 1839 für seine Tochter Luise. Dank eines privaten Investors befindet es sich heute in einem perfekten Zustand. Seit 2007 ist es Hotel und Veranstaltungsort.


Nur wenige Gehminuten vom Schloss Schildau entfernt findet sich bereits das Nächste: Schloss Lomnitz. Man kann dorthin einen Spaziergang durch den wiederhergestellten schönen Park am Fluss Bober machen. Der Park von Schloss Lomnitz (Pałac Łomnica) liegt auf der gegenüberliegenden Seite und gestalterisch bilden beide eine Einheit.

Heute ist es nicht nur ein Hotel, sondern beherbergt auch ein Museum und einen Verein zur Pflege schlesischer Kunst und Kultur. Eine multimediale Ausstellung erzählt die 300-jährige Geschichte von Schloss Lomnitz. Nebenan auf dem Gutshof schreibt Schlossherrin Elisabeth von Küster diese Geschichte fort. Sie plant den Wiederaufbau der historischen Mangelscheune mit einer Ausstellung zur Geschichte der Leinenherstellung im Hirschberger Tal. In ihrem Leinenladen findet man bereits Kleidung junger polnischer Designer.


Mit Stoffen kennt man sich auch im Schloss Stonsdorf (Pałac Staniszów) aus. Die Kunsthistorikerin Agata Roma-Dzida, vertreibt unter dem Label „Maison de Rome“ ihre eigenen Kollektionen von Möbeln, Stoffen und Tapeten, denen man die Inspiration durch die historischen Gemäuer ansieht. Ehemann Wacław Dzida widmet sich mit seinen Söhnen einem anderen Stoff und lässt eine alte Stonsdorfer Tradition aufleben: Aus Kräutern und Früchten der Riesengebirgsregion produzieren sie den Stonsdorfer Likör.

In Deutschland wird der als „Echt Stonsdorfer“ nach altem Rezept produziert. Am Ursprungsort geriet das Getränk nach 1945 in Vergessenheit, doch seit Kurzem stellt der Schlossherr hier seinen „Likier Staniszowski“ wieder her.

Der Pałac Staniszów ist eines der schönsten Schlosshotels Schlesiens, eingebettet in einem weitläufigen Landschaftspark, in dem man mit Blick auf die Schneekoppe flanieren kann. Außerdem hat Stonsdorf auch ein sehr schönes Spa mit großem Pool in einer alten Scheune.


Ein wahres Idyll ist das neugotische Wasserschlösschen Fischbach (Zamek Karpniki). Die ehemalige Wasserburg liegt malerisch auf einer Insel und ist über eine Brücke erreichbar. Die Geschichte des Schlosses reicht hier ins 14. Jahrhundert zurück und schon wieder ist das, was wir heute sehen neu – noch 2009 stand hier nur ein verfallenes Gebäude. Nachdem auch hier private Investoren aktiv waren, sind seit 2014 nun Gäste in den historischen Räumen willkommen. Es gibt ein schönes Restaurant und Heizung und Warmwasser laufen nachhaltig über die hauseigene Thermalquelle, die man auch Outdoor im nostalgischen Badezuber genießen kann.


Wer nach Schloss Wernersdorf (Schloss Pakoszów) kommt, wundert sich vielleicht über die riesigen Wiesenflächen vor dem Schloss. Das hängt mit der Nutzung des Schlosses zusammen, denn die großen Flächen wurden zum Bleichen von Leinenstoffen benötigt.
Ein Enkel der letzten deutschen Besitzerin konnte Schloss Pakoszów 2005 erwerben und baute es zu einem Schlosshotel der gehobenen Klasse um, das 2012 eröffnet wurde.


Schloss Fürstenstein – das polnische Neuschwanstein

Eine Stunde weiter östlich liegt die „Perle Niederschlesiens“: Schloss Fürstenstein (Zamek Książ), das drittgrößte Schloss Polens und meistbesuchte Schloss Schlesiens – ein polnisches Neuschwanstein. Die imposante Anlage thront auf einem Hügel am Rande von Walbrzych (Waldenburg), das auch ein sehenswertes Porzellanmuseum beherbergt.

Fürstenstein verfügt über 400 Räume und ist von einem fast 300 Hektar großen und terrassenartig angelegten Park umgeben. Etwa 20 Minuten zu Fuß gibt es zwei ausgeschilderte Aussichtspunkte, von denen man das Schloss sehr gut fotografieren kann. Sehenswert ist auch die Palmeria, die etwas abseits liegt. Wenn man Glück hat, kann man auch die ehemalige Küche besichtigen, wo die Lagerräume noch mit deutschen Inschriften wie Fisch-, Fleisch- oder Obstraum versehen sind. Auch ein verstecktes Kino ist zu entdecken.

Tunnelsystem unter Fürstenstein

Der geheimnisvollste Teil befindet sich jedoch unter der Burg und kann im Rahmen einer Führung besichtigt werden. Das Tunnellabyrinth unter dem Fürstenstein wurde im Zweiten Weltkrieg angelegt. Man vermutet, dass hier eine Kommandozentrale der Nazis entstehen sollte – das „Projekt Riese“. Dabei soll es sich um ein riesiges Tunnelsystem in Niederschlesien gehandelt haben. Einige Quellen gehen davon aus, dass dies das Hauptquartier von Adolf Hitler werden sollte.

Dieses unterirdische Stollensystem sorgt auch immer wieder für zahlreiche Mythen – unter anderem wurde hier nach dem verschwundenen Bernsteinzimmer gesucht und nach dem legendären Goldzug. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges sollen ranghohe NS-Funktionäre von Breslau einen Zug mit rund 300 Tonnen Gold, Kunstwerken und Schmuck Richtung Südwesten auf die Strecke geschickt haben. In der Nähe von Waldenburg – dem heutigen Wałbrzych – sei der Zug in einem unterirdischen Stollen der Gegend versteckt worden, der zum Projekt Riese gehörte.

Diese Sage kam erstmals in den 70er Jahren auf. Es gibt bis dato keinerlei bekannte Belege für die Existenz eines solchen Zuges. Trotzdem hält sich der Mythos und ist vor allem ein lukratives Geschäft, denn ein cleverer Geschäftsmann hat sich die Marke schützen lassen und nun gibt es vom Bier bis zur Kleidung alles mit dem sagenumwobenen Goldzug.

Bäderkultur in Bad Salzbrunn

Von hier aus lohnt sich ein Abstecher nach Bad Salzbrunn (Szczawno-Zdrój). Mit seiner hölzernen Wandelhalle und der Hotellerie im Tudorstil ist es einer der vielen Orte blühender Bäderkultur im Riesengebirge, einst ebenso bedeutend wie die Kurorte im böhmischen Bäderdreieck.
Ein berühmter Sohn des Ortes ist der Literaturnobelpreisträger Gerhart Hauptmann, der 1862 in Ober Salzbrunn geboren wurde. In Agnetendorf (Jagniątków) unter dem Kamm des Riesengebirges steht das ehemalige Wohnhaus des Schöpfers der „Weber“, die Villa Wiesenstein. Heute kann sie als Museum besichtigt werden.


Eine weitere architektonische Perle Niederschlesiens befindet ist das Schloss Kamenz (Kamieniec Ząbkowicki). Das neugotische Schloss ist der größte Bau am Ende der Romantik in Europa – und eins der größten Objekte dieser Art in Polen. Nach der Marienburg, dem Wawel und Schloss Fürstenstein. Es wurde von Karl Friedrich Schinkel entworfen und ist in vieler Hinsicht außergewöhnlich. Mit einer faszinierenden Geschichte über eine verbotene Liebe, die sich für einen Roman oder ein Drehbuch eignet.


Auf dem Rückweg nach Breslau sollte man unbedingt einen Stopp im ehemaligen Blücherschloss Krieblowitz (Pałac Krobielowice) einlegen, das heute ein Hotel ist. Schloss Krieblowitz eignet sich auch hervorragend für eine Radtour von/nach Breslau, da es nur gut 20 km von der niederschlesischen Hauptstadt entfernt ist. Es ist auch eine ideale Wahl, um einen Städteurlaub in Breslau mit einer Übernachtung im Schloss zu verbinden.

Schloss Krieblowitz

Ganz knapp hinter der Stadtgrenze von Breslau befindet sich noch ein tolles Schloss: Wohnwitz (Zamek Wojnowice) – ein Wasserschloss, das im 16. Jahrhundert erbaut wurde. Es ist bekannt als „Burg auf dem Wasser”, wenn man nach der wörtlichen Übersetzung des Beinamens „Zamek na wodzie“ aus dem Polnischen geht. Das Schloss befindet sich in gutem Zustand, auch die schöne Parkanlage lohnt einen Ausflug.


Tipps & Tricks:

Anreise

Nach Breslau mit dem Zug via Berlin oder mit dem Flugzeug. Von dort aus empfiehlt sich ein Auto zu mieten, um in der weitläufigen Region flexibel zu sein – obwohl es gute Zugverbindungen von Breslau nach Hirschberg (Jelenia Góra). Doch für das Schloss-Hopping ist das Auto die beste Option.

Am bequemsten ist es mit dem Auto anzureisen: Das Hirschberger Tal ist auf direktem Weg von Berlin beispielsweise nur drei Autostunden entfernt. Alternativ kann man das Hirschberger Tal und das Riesengebirge auch mit einer geführten Bus-Tagestour von Breslau aus erkunden, auf denen man zwar nicht alle Schlösser sieht, aber auf jeden Fall einen guten Eindruck bekommt. Anbieter ist zum Beispiel Get Your Guide

Eine Karte für das gesamte Hirschberger Tal gibt es vom Blochplan-Verlag direkt hier

Und auch diese Übersichtskarte ist sehr hilfreich.


Schlösser-Hopping geht auch per Rad

Radtouren durch Niederschlesien erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Ein Besuch des Hirschberger Tals und der Schlösser lässt sich gut in eine Fahrt ins Riesengebirge integrieren. Auch für mehrtägige Radtouren ist die Region bestens geeignet. So gibt es zum Beispiel entlang des Flusses Bober wunderschöne Radwege. Einen Überblick über alle Radwege durch Niederschlesien gibt es hier.


Hoteltipps


Empfehlenswerte Schlosshotels:

  • Am edelsten ist Schloss Fischbach
  • Mit seinem tollen großen Spa lockt Schloss Stonsdorf
  • Ebenfalls gediegen: Schloss und Gut Lomnitz
  • Am meisten Platz hat Schloss Wernersdorf
  • Für den Besuch auf Schloss Książ/Fürstenstein eignet sich am besten eine Übernachtung auf Schloss Hausdorf (Pałac Jugowice) der Nähe von Waldenburg/Wałbrzych. Dieses stylishe Wellnesshotel ist in einem ehemaligen Jagdschloss aus dem 19. Jahrhundert untergebracht und liegt zudem unweit von Burg Grodno und 16 km vom Landschaftsschutzpark Eulengebirge. Das Hotel hat ein modernes Restaurant mit internationaler Küche sowie einen Weinkeller mit Bar. Das Spa bietet 4 Saunas, 2 Tauchbecken und eine Wellnessbar. Fahrräder können ausgeliehen werden.


In Breslau/Wrocław übernachtet man stilvoll im Altus Palace im historischen Leipziger-Palais. Das 5-Sterne-Hotel liegt am Rande der Altstadt im Park Kopernika, dem einstigen Zwingerpark. Es wurde 1874 nach Plänen von Karl Schmidt im Stil der Neorenaissance für den Bankier Ignatz Leipziger errichtet. Die Originalausstattung mit Prachttreppe, Scheinatrium und viel Stuck- sowie Marmordekorationen blieb erhalten und wurde restauriert.

Das Altus Palace bietet seinen Gästen 81 Zimmer und Appartements, die das historische Ambiente mit zeitgenössischem Design verbinden. Darüber hinaus stehen drei Konferenzsäle, ein Restaurant in den historischen Kellergewölben sowie ein exklusiver SPA- und Fitnessbereich zur Verfügung.

Weitere Infos:

Deutschsprachige Webseite zum Hirschberger Tal: www.talderschloesser.de

Informationen über die Region Niederschlesien: https://dolnyslask.travel/

Webseite des Polnischen Fremdenverkehrsamtes: www.polen.travel 

Weitere Inspirationen zu Reisezielen in Polen gibt es hier


Die Recherche wurde unterstützt vom Polnischen Fremdenverkehrsamt. Einfluss auf den Inhalt des Artikels wurde nicht genommen.

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